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Ein Klosterleben mit Kater und Ente

Schafe, Bienen, Katzen, Störche - Klöster beherbergen nicht nur Nonnen oder Mönche, sondern bieten auch Tieren ein Zuhause. Zum Beispiel St. Marienthal an der Neiße. 

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Kater Olli sitzt im Kloster St. Marienthal. Klöster beherbergen nicht nur Nonnen oder Mönche, sondern bieten auch Tieren ein Zuhause.
Kater Olli sitzt im Kloster St. Marienthal. Klöster beherbergen nicht nur Nonnen oder Mönche, sondern bieten auch Tieren ein Zuhause. © Sebastian Kahnert/dpa

Die Ankunft des Küchenpersonals im Klosterstift St. Marienthal verpasst Kater Olli fast nie. Geduldig wartet der Graugetigerte an der Tür des Speisesaals. Manchmal taucht er auch direkt an der Küche auf, um nach einem Happen Ausschau zu halten. Wenn er verscheucht wird, folgt kein Protest-Maunzen - Olli weiß, was sich gehört.

Vor gut fünf Jahren kam er aus einem Görlitzer Tierheim nach Ostritz an der deutsch-polnischen Grenze und fand hier ein Paradies. Ob nun im Kräutergarten, im Gartenhaus oder anderswo im Gelände: Olli ist präsent, selbst wenn er gerade weg ist. Verschwindet er für längere Zeit, ist zumindest bei einigen Nonnen die Sorge groß.

Zum Beispiel bei Schwester Alma. Sie lebt seit etwa 40 Jahren in St. Marienthal und hat Olli aus dem Tierheim geholt. Ja, es sei schon so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gewesen, sagt sie. Der Kater sei ihr entgegengelaufen, als habe er auf sie gewartet. Schwester Alma ist in Görlitz als Stadtkind aufgewachsen. "Katzen hatten es mir schon immer angetan. Das sind meine Lieblingstiere." Olli sei sehr friedlich und gesellig. "Er lässt sich gern von anderen streicheln und sucht die Nähe des Menschen. Deshalb hat er auch vor Besuchern des Klosters keine Scheu. Der darf so gut wie alles hier."

Das war in der Geschichte der Kirche durchaus nicht immer so. Bis zum frühen Mittelalter galt die Katze als guter Hausgeist, doch dann machte man ihr immer häufiger mit kirchlichem Segen den Garaus. Katzen wurden dämonisiert und als das Böse gesehen.

Natürliche Verhaltensweisen wie ihre ausgiebige Körperpflege, der lange Schlaf, die Fresslust und der scheinbare Hochmut wurden als Merkmale eines schlechten Charakters gedeutet. "So wurde die Katze zum Symbol für das Prinzip des Satans. Sie seien, predigte man, von Dämonen oder vom Teufel besessen", beschrieb das Schweizer Magazin "Welt der Tiere" einst das Problem.

Die Verfolgung des alten Haustiers hatte fatale Folgen. So konnten sich damals die Ratten ohne Katzen ungebremst vermehren, was wiederum Krankheiten wie die Pest beförderte. Epidemien forderten in Europa Millionen von Todesopfern. "Das ist erschütternd", stellt Schwester Alma heute fest und ist froh, dass die finsteren Zeiten seit langem überwunden und Geschichte sind.

Olli gehöre einfach zu St. Marienthal, auch wenn nicht alle Schwestern ihre Zuneigung für den Kater teilten. Dass dieser sich hin und wieder vor dem Altar zusammenrollte und auf dem beheizten Kirchenbänken schlummerte, habe nicht allen im Kloster gefallen. Deshalb hat er nun für die kalten Tage ein Heizkissen im Gartenhaus.

Auch anderen Tieren gewährt die Anlage Obdach. "Sie brauchen die Hilfe des Menschen", begründet Äbtissin Schwester Elisabeth Vaterodt die Fürsorge. Neben dem Klosterladen ist das für Gäste erlebbar: Ein Bildschirm gibt den Blick auf ein von einer Kamera überwachtes Storchennest frei. Bis 2013 kam ein Paar Adebare regelmäßig dorthin, dann verhinderten lange Regenfälle, dass es seine Jungen trocken halten und mit Futter versorgen konnte. Seither sucht sich das Storchenpaar alternativ im Ort ein trockenes Plätzchen.

Dagegen hält Stockente Gabi als neue Bewohnerin des Storchennestes St. Marienthal seit 2015 die Treue. Für ihren flügge gewordenen Nachwuchs wird jedes Jahr eine Hebebühne herangebracht, denn die Jungen drohen vom Nest auf dem Dach abzustürzen. "Nur die Familienzusammenführung gestaltet sich immer schwierig", erzählt die Äbtissin.

Obwohl Gabi das Prozedere vertraut sein müsste, habe sie immer Stress. "Gabi ist einfach eine Mutter, die sich um ihre Kinder sorgt." Ohnehin hat Schwester Elisabeth viel Menschliches an Tieren entdeckt. Einmal sah sie, wie eine andere Stockente die Brutpflege für Gabi übernahm. "Vorher haben sie erst eine Weile geschnattert." Gegenwärtig ist die gefiederte Kloster-Bewohnerin allerdings außer Haus und mit Artgenossen irgendwo auf der Neiße unterwegs. Erst Ende März fliegt sie gewöhnlich wieder das Storchennest zum Brüten an.

Seit jeher gehörten Tiere zum Klosterleben dazu, aber meist wurden Nutztiere zur Versorgung der Bewohner gehalten. "Tiere spielen in unserem Kloster eine große Rolle, da wir einen landwirtschaftlichen Bioland-Betrieb mit Schaf- und Ziegenhaltung, Mutterkuhhaltung und Schweinemast haben", erzählt beispielsweise Frater Andreas Schmidt vom Kloster Plankstetten (Bayern). "Der artgerechte und würdige Umgang mit dem Geschöpf Tier ist uns ein großes Anliegen. Seit über 20 Jahren bemühen wir uns, unsere Lebens- und Wirtschaftsweise in Einklang mit der Schöpfung Gottes zu bringen."

Kloster Maulbronn geht sogar auf ein Tier zurück. Zumindest erzähle man das so, sagt Frank Thomas Lang von den Staatlichen Schlössern und Gärten in Baden-Württemberg. "Ritter Walter von Lomersheim lud vor 850 Jahren einem Maulesel einen Geldsack auf und ließ das Tier ziehen. Dort, wo es anhalten und die Last abwerfen würde, wollte er ein Kloster bauen. Der Maulesel blieb auf seinem Weg an der Stelle des heutigen Klosters stehen und brachte durch Hufschläge eine Wasserquelle aus dem Fels hervor." Nach einer zweiten Legende hatte ein Esel genau an dieser Stelle Durst und trank.

Seit diesen Sommer summt es im Kloster Maulbronn ordentlich, denn nun leben mehrere Bienenvölker hier. "Die alten Gartenflächen, die zu einem Kloster wie Maulbronn gehören, die sind natürlich geradezu Archen in der heutigen Landschaft", meint Lang. Das ist nicht nur für die Natur von Nutzen. An der Klosterkasse kann man jetzt Honig kaufen. Auch in der Benediktinerabtei Maria Laach (Rheinland-Pfalz) gibt es im Klosterladen Produkte aus eigenem Anbau.

Nicht immer haben Tiergeschichten im Kloster ein Happy End. "Wir hatten bis vor ein paar Jahren ein Uhu-Pärchen auf dem Dach, aber das Männchen ist verschollen und das Weibchen flog in eine Oberleitung und verendete, so hat man sie gefunden", berichtet Abt Johannes von der Benediktinerabtei Ottobeuren (Baden-Württemberg).

Zuweilen brauchen Tiere auch Schutzvorkehrungen - so wie die Turmfalken von der Kirche in St. Marienthal. Als ihr Nachwuchs eines Tages durch den Schornstein nach unten fiel und direkt im Klosterkonvent landete, griff die Äbtissin durch und ließ die Schornsteine versiegeln.

Während sie die Tiergeschichten von St. Marienthal erzählt, streift Klosterkater Olli irgendwo draußen herum. In all seinen Klosterjahren habe er mehr als ein paar Gramm zugenommen, verrät Schwester Alma. Denn eine Fastenzeit kennt er nicht. (dpa)